Die Herzogin: Aufwändig-elegantes Kostümdrama über die skandalumwitterte Aristokratin Georgiana Spencer.
Keira Knightley erweckt die skandalumwitterte Aristokratin Georgiana Spencer in Saul Dibbs aufwändig-elegantem Kostümdrama mit viel Einfühlungsvermögen zum Leben.
Bevor das Wort „It Girl“ überhaupt geprägt wurde, gab es schon eins: Georgiana Cavendish, Herzogin von Devonshire, 1757 als Georgiana Spencer geboren, verstorben 1806. Sie, Ur-Ahnin von Lady Diana Spencer, war eine frühe Personifizierung dieses Begriffs. Mit 16 ehelicht sie den einflussreichen, neun Jahre älteren, fünften Herzog von Devonshire. Kaum verheiratet, erobert sie mit Intelligenz, Schlagfertigkeit und ihrem untrüglichen Gespür für Mode die britische Gesellschaft und mischt auch - höchst ungehörig - auf politischer Ebene kräftig mit.
„Georgiana, Duchess of Devonshire“ heißt Amanda Formans Bestseller-Biografie aus dem Jahre 1998, die Saul Dibb unter dem Titel „The Duchess“ verfilmt hat. Als Protagonistin gewann er Keira Knightley, die die langfederigen, höchst unpraktischen Hüte des 18. Jahrhunderts mit gleicher Nonchalance zu tragen versteht wie ihre verwegene Seeräuberkluft in der „Fluch der Karibik“-Reihe. Überhaupt scheint dieses aufwändige Kostümdrama geradezu für sie maßgeschneidert. Nicht nur weil Sie mit ebenmäßigem Gesicht, verheißungsvollem Blick und verschmitztem Lächeln Männerträume von verruchten, skandalumwitterten Aristokratinnen befriedigt, sondern es auch versteht, Georgianas Charisma ebenso verständlich zu machen wie deren immensen Herzschmerz. Und besonders letzteres hatte sie reichlich.
Mit Freude stürzt sie sich in die von der ehrgeizigen Mama - Charlotte Rampling lässt einen Eisschrank frösteln - arrangierten Hochzeit. Ralph Fiennes gibt den Gemahl, kalt, wortkarg und very british. Seine Hunde behandelt er besser als seine Frau, der Beischlaf dient bei ihm primär der Fortpflanzung. Als es der Herzogin nicht gelingt, einen männlichen Nachfahren zur Welt zu bringen, verliert er an ihr das Interesse. Georgiana beklagt sich bei der Mutter, die rät zur Contenance und merkt an, dass eheliche Turbulenzen am leichtesten mit „Geduld, Standhaftigkeit und Verzicht“ zu überstehen sind. Womit sie bei ihrer heißblütigen Tochter auf taube Ohren stößt. Kopfüber stürzt die sich ins Gesellschaftsleben, avanciert zu dem, was man heute Society-Star und Trendsetter nennt. Da kreuzt zufällig ein alter Verehrer, Charles Grey (Dominic Cooper), seines Zeichens ehrgeiziger Nachwuchspolitiker, ihren Weg.
Leicht hätte dieser saftige Stoff zur semi-royalen, tränenreichen Kolportage im „Goldenen-Blatt“-Stil verkommen können. Doch Dibb vermeidet jedwedes Klischee, fühlt sich vielmehr größtmöglicher historischer Authentizität, verpackt in erlesenen Bildern (Kamera: Gyula Pados) und ziselierten Dialogen, verpflichtet. Zu Rachel Portmans elegantem Score zeichnet er seine Heldin als moderne Frau, die erkennt, dass die Zeichen der Zeit auf Neuerung stehen, sie selbst aber in einem Klassensystem gefangen ist, aus dem es (für sie) kein Entrinnen gibt. Den Geliebten - der spätere Premierminister Grey ist heute eher wegen des nach ihm benannten Tees bekannt - verlässt sie auf Druck ihres Mannes, dessen Mätresse Bess Foster (Hayley Atwell) wiederum zieht auf ihrem Landsitz ein - der Beginn einer Ménage à trois, die bis zu Georgianas Tod Bestand hat. Das kommt einem alles doch irgendwie bekannt vor. geh.