Tannöd: Düsteres Krimi-Drama, das einer mysteriösen Familien- und Dorftragödie auf den Grund geht. Nach dem gleichnamigen Bestseller.
Julia Jentsch wird in der stimmigen Adaption von Maria Schenkels prämiertem Krimi mit einem Mehrfachmord konfrontiert und stößt im atmosphärischen Drama auf dunkle Familiengeheimnisse.
Das titelgebende „Tannöd“ steht für Hinterkaifeck, den Weiler dieses Namens gibt es nicht mehr. Einst stand hier, nahe Schrobenhausen, ein Einödhof, der es zu grausiger Bekanntheit brachte. Wegen des sechsfachen Mordes, der sich hier 1922 ereignete. Eine Bauernfamilie nebst Magd wurde mit einer Spitzhacke ausgelöscht - vom Täter fehlt bis heute jede Spur. Da wundert es nicht, dass zum Thema viel recherchiert und geschrieben wurde, zum Beispiel vom Journalisten und Denkmalpfleger Peter Leuschner (Hinterkaifeck - Deutschlands geheimnisvollster Mordfall) und der Schriftstellerin Andrea Maria Schenkel („Tannöd“), die für ihren Roman 2007 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde.
Die von Leuschner eingebrachte - inzwischen abgewiesene - Plagiatsklage gegen die Bestseller-Autorin sorgte für weitere Aufregung. Es folgte, ganz logische Verwertungskette, das Kino. Zunächst „ermittelte“ dieses Frühjahr Benno Fürmann als Fotograf in „Hinter Kaifeck“, nun begibt sich Bettina Oberli („Die Herbstzeitlosen“) auf Spuren- und Tätersuche. Julia Jentsch als Krankenschwester Kathrin schickt sie los. Von der Bluttat, die vor zwei Jahren in ihrem Heimatdorf passiert ist, weiß sie wenig. Nur, dass die oder der Mörder nie gefasst wurden. Sie ist eigentlich nur gekommen, um die Mama zu beerdigen.
Krimitypisch etabliert Drehbuchautorin Petra Lüschow („Nachbeben“) ihre Story. Als Fremde kehrt die uneheliche Kathrin heim, mit kleinem Gepäck, will nicht lange bleiben. Mit dem Postbus reist sie an - die Handlung wurde in die (pittoreskeren?) frühen 1960er Jahre verlegt -, kommt bei der Familie unter, bei der ihre Mutter Bedienstete war und läuft Traudl - Monica Bleibtreu besticht in ihrer letzten Kinorolle -, der Giftspritze des Dorfs, in die Arme. Deren Schwester war Magd auf dem Hof der verhassten Danners, auch sie war eines der Opfer, auch von ihrem Schicksal handelt das atmosphärische Drama, das zwischen den Zeitebenen pendelt. Dunkelblau, fast schwarz, undurchdringlich wie den Wald, der das Gehöft umgibt, hält Kameramann Stéphane Kuthy die Vergangenheit fest, etwas farbkräftiger, aggressiver das Jetzt, in dem die Dorfgemeinschaft sich belauert und zerfleischt. Alle lagen mit dem alten Danner (Vitus Zeplichal) im Streit, um Schulden ging’s, um dessen aufreizende Tochter (Brigitte Hobmeier), um uneheliche Kinder, Inzest und die bigotte, verschlossene Ehefrau (Lisa Kreuzer). Gespenstisch ist die Stimmung, suggestiv Johan Söderqvists eindringlicher Score. Und mittendrin, passiv, blond, mit kantigem Gesicht, steht Jentsch („Sophie Scholl“), die allmählich die schrecklichen Ereignisse zu deuten vermag. Gelöst im klassischen Sinn wird der Fall aber deswegen nicht, der Zuschauer ist gehalten, sich seine eigene Meinung zu bilden, Rückschlüsse zu ziehen, wenn final gnädig der Schnee fällt und alle Spuren bedeckt. geh.