Unter dem Eis: Was für eine tragische Geschichte: Beim Spiel zieht ein kleiner Junge einem Mädchen eine Plastiktüte über den Kopf; das Kind erstickt. Der Junge hatte zuvor in dem unachtsam liegen gelassenen Fahndungsmaterial des Vaters gestöbert: Der Kommissar sucht nach einem Kindermörder. Nach dem Unglück beschwört die Mutter ihren Sohn, niemandem davon zu erzählen; der Tod der Freundin soll ihr Geheimnis bleiben. Doch beiden...
Was für eine tragische Geschichte: Beim Spiel zieht ein kleiner Junge einem Mädchen eine Plastiktüte über den Kopf; das Kind erstickt. Der Junge hatte zuvor in dem unachtsam liegen gelassenen Fahndungsmaterial des Vaters gestöbert: Der Kommissar sucht nach einem Kindermörder. Nach dem Unglück beschwört die Mutter ihren Sohn, niemandem davon zu erzählen; der Tod der Freundin soll ihr Geheimnis bleiben. Doch beiden ist die Last der Lüge bald zu viel. Der Junge wird in der Schule immer öfter auffällig und prügelt sich mit anderen Kindern; die Mutter, zuvor eine lebensfrohe Frau, kapselt sich ab und wird ihrem Mann immer fremder. Das vermeintliche Vorstadtidyll entpuppt sich als Kartenhaus, das auch kleineren Belastungen kaum stand gehalten hätte.
Aelrun Goette kennt sich aus in den menschlichen Abgründen; und das nicht erst seit ihrem preisgekrönten Dokumentarfilm „Die Kinder sind tot“, in dem sie der Frage nachgeht, warum eine Mutter ihre beiden Kinder verdursten ließ. Sie hat außerdem Erfahrungen als Krankenschwester in der Psychiatrie und als Vollzugsbeamtin in einem Gefängnis gesammelt. Kein Wunder, dass sie das Drehbuch von Thomas Stiller gereizt hat. Mit fast distanziertem Blick beobachtet sie, wie Familie Niemayer implodiert; der völlig überforderte Vater ist machtlos. Großen Anteil an der Wirkung der Bilder hat das Szenenbild (Heidun Reshöft): Das stets wie aus dem Ei gepellt wirkende Haus der Familie ist zwar modern eingerichtet, aber seelenlos; es wirkt wie ausgestattet.
Das größte Lob gebührt Goette jedoch für die Führung ihrer Darsteller. Neben Bibiana Beglau und Dirk Borchardt imponiert vor allem Adrian Wahlen, der den kleinen Tim mit beängstigender Intensität verkörpert. Die Gewaltszenen brauchte er zwar nicht zu spielen, weil von ihnen nur berichtet wird. Doch die vielen emotionalen Zusammenbrüche und die intensiven gemeinsamen Szenen mit der Mutter stellt der Junge derart packend dar, dass man nur hoffen kann, die Dreharbeiten zu „Unter dem Eis“, ausgestrahlt als Auftakt der SWR-Reihe „Debüt im Dritten“, mögen keine Spuren hinterlassen haben. tpg.