Berlin Is in Germany: Tragikomödie über einen Mann, der die Wendezeit im Gefängnis verbrachte und sich nach seiner Entlassung nur schwer zurechtfindet.
Nach erfolgreicher Auswertung auf internationalen wie nationalen Festivals, wo unter anderem in Berlin und Schwerin jeweils die Publikumspreise 2001 gewonnen werden konnten, erhält „Berlin is in Germany“ nun seinen regulären Kinostart. Das bemerkenswerte Spielfilmdebüt des dffb-Absolventen Hannes Stöhr erzählt die Geschichte eines DDR-Häftlings, der die ersten elf Wendejahre hinter Gittern verbracht hat und nun in Freiheit vor einem Neuanfang steht. Die extrem gut beobachtete, hervorragend gespielte und mit hoher Sensibilität inszenierte Mixtur aus Komödie und Tragödie wird es wegen des Fehlens zugkräftiger Namen allerdings schwer haben, außerhalb der Bundeshauptstadt ein breites Publikum zu finden.
Rund zwölf Jahre nach dem Mauerfall scheint es den Regisseuren endlich möglich zu sein, sich mit deutsch-deutschen Realitäten konstruktiv auseinander zu setzen. Bestes Beispiel: „Berlin is in Germany“, den der 31-jährige Filmemacher Hannes Stöhr während seines Studiums an der dffb zunächst als Kurzfilm drehte, bevor er ihn in ein abendfüllendes Werk transformierte. Eine Aktion, die ganz ohne Reibungsverluste über die Bühne ging. Denn in Bezug auf glaubwürdige Charaktere, exakte Milieuschilderung und authentische Dialoge sucht diese zartbittere Komödie, die immer wieder an der tieftraurigen Tragödie vorbeischrammt, ihresgleichen. Hauptfigur der Story ist der von einem großartig aufgelegten Jörg Schüttauf verkörperte Martin Schulz. Dieser wurde noch zu DDR-Zeiten ins Gefängnis gesteckt. Jetzt, nach elf Jahren Haft, wird Schulz in eine Welt entlassen, die er nur aus dem Fernsehen kennt - die Welt des Westens. Hilflos muss er erkennen, dass er draußen genauso viel wert ist wie die DDR-Kohle, die er in seinen Taschen trägt. Er bekommt keine Arbeit und keine Wohnung. Seine Frau Manuela (Julia Jäger) hat inzwischen einen Neuen, einen Wessie, und sein eigener Sohn Rocco, elf Jahre alt, weiß nicht einmal, dass er existiert. Aber Martin Schulz gibt nicht auf, er ist ein Kämpfertyp. Bald hat er nicht nur einen Job im Nachtclub eines Ex-Knastbruders, sondern auch eine berufliche Perspektive: Er versucht es mit dem Taxi-Schein. Als man ihn jedoch wegen seiner Vorstrafe nicht zur Prüfung zulässt und er bei einer Razzia im Nachtclub Panik bekommt und Reißaus nimmt, wird es eng für Martin. Da ist es ausgerechnet Manuela, die ihm aus der Patsche helfen will.
Hannes Stöhr hat das geschafft, was gute Regisseure auszeichnet. Er war in der Lage, sich in die Situation seiner Protagonisten hineinzuversetzen. Doch es ist sicherlich kein Zufall, dass ausgerechnet der Chemnitzer Jörg Schüttauf, der in Potsdam und (Ost-)Berlin Schauspiel studierte, und Julia Jäger aus Angermünde, die in Leipzig ausgebildet wurde, für diese Rollen ausgewählt wurden. Im Osten ticken die Uhren eben immer noch anders. Gut möglich, dass Kollegen aus dem Westen an diesen Figuren gescheitert wären. Aber nicht nur vor der Kamera konnte Stöhr exzellente Künstler versammeln. Für die einfühlsamen, manchmal aber auch schmerzhaft direkten Bildkompositionen zeichnet Jung-Kameramann Florian Hoffmeister, der beim international renommierten Slawomir Idziak lernte, verantwortlich. Den klaren, unaufdringlichen Schnitt besorgte Anne Fabini, die als Assistentin von Tom Tykwers Cutterin Mathilde Bonnefoy („Lola rennt“) erste Erfahrungen sammelte. Dass nahezu die gesamte Crew erst am Anfang einer - hoffentlich erfolgreichen - Karriere steht, merkt man dem wunderbar unangestrengt wirkenden Werk in keiner Phase an. Jetzt wäre es zu schön, wenn sich auch der Westen Deutschlands für die neuen Bundesländer interessieren oder zumindest Filme darüber konsumieren würde. lasso.