Der verlorene Sohn: TV-Drama um einen jungen Deutschen, der sich islamischen Extremisten angeschlossen hat.
Selbstmordattentäter oder zu Unrecht verdächtig? Katja Flint muss in Nina Grosses leisem Thriller dieser Frage nachgehen und liefert ebenso wie ihr Film-Sohn Kostja Ullmann eine preiswürdige Leistung ab.
„Der Dschihad ist vorbei“, sagt Rainer (Kostja Ullmann) zu seiner Mutter Stefanie (Katja Flint), als er wieder bei ihr vor der Tür steht. Zwei Jahre lang saß der Islamkonvertit wegen Terrorismusverdachts in Israel im Gefängnis, dann wurde er nach Deutschland abgeschoben. Die alleinerziehende Handballtrainerin ist glücklich, ihren älteren Sohn wieder bei sich zu haben. Sie hilft ihm, sich wieder einzugewöhnen, und legt sich sogar mit dem Verfassungsschutz an, der ihn überwacht, weil befürchtet wird, dass Rainer ein Schläfer wie der Attentäter von London oder die Planer der Sauerland-Gruppe ist. Tatsächlich ist Rainer in sich gekehrt und Stefanie und seinem Bruder Markus (Ben Unterkofler) gegenüber sehr aggressiv. Schließlich kann auch sie die Augen nicht mehr davor verschließen, dass Rainer etwas vor ihr verbirgt.
Das Grauen hinter der Normalität lotet Drehbuchautor Fred Breinersdorfer mit Vorliebe aus. Bei dem Drehbuch zu „Der verlorene Sohn“, das er gemeinsam mit seiner Tochter Léonie-Claire Breinersdorfer verfasste, arbeitete er mit Fällen, wie sie in den Abwehrszenarien des Verfassungsschutzes tatsächlich behandelt werden. Auch wenn der Titel die Antwort bereits vorzugeben scheint, setzt Nina Grosse in ihrer Inszenierung lange Zeit auf einen doppelten Boden. Die Dramatik des Filmes, der ohne Effekte und künstliche Spannungsbögen auskommt, ergibt sich aus den Figuren, aus der Frage nach den wahren Beweggründen des Sohnes und der verzweifelten Hoffnung der Mutter. Rainer lehnt zwar den Lebensstil seiner Mutter und seines Bruders ab, kann aber dennoch die tiefen Gefühle nicht unterdrücken, die er für sie hat, was sie, genauso wie die Zuschauer, immer wieder hoffen lässt, dass er sie nicht enttäuscht. Wie durchlässig Katja Flint, mit der Nina Grosse zuletzt die Franziska-Luginsland-Filme drehte, und Kostja Ullmann dieses Wechselbad der Gefühle spielen, ist sehenswert. sw.