Die Frau auf der Brücke: Französisches Liebesmärchen über zwei Unglückliche, die nur zusammen Glück finden.
War „Ridicule“, Patrice Lecontes bislang letzter Film in den deutschen Kinos ein rhetorisch brillantes Kopfprodukt, so zielt sein neuester lakonisch ins Herz. „Die Frau auf der Brücke“ ist eine oft humorvolle, aber auch melancholische Fantasie über das Glück, die Liebe und den schwierigen Prozess des Erkennens und Festhaltens. Eine emotional reservierte Romanze, die vertraute Gefühle originell entwickelt und sich trotz eines ernsten Hintergrundes erfrischend leicht gibt. In der aktuellen Filmlandschaft eine Rarität, deren Wert in Frankreich aber trotz der gut miteinander harmonierenden Stars kommerziell nicht angemessen honoriert wurde und auch bei uns erst einmal erkannt werden muss.
Messerwerfen und die Liebe sind in den Augen Lecontes und seines Drehbuchautors Serge Frydman ein ähnlich großes Wagnis, auf das man sich nur auf der Basis von Vertrauen richtig einlassen kann. Vor Augen geführt wird das in der seltsamen schicksalshaften Begegnung von Adèle (Vanessa Paradis, schon in „Une chance sur deux“ vor Lecontes Kamera), die sich von einer Brücke stürzt, und Messerwerfer Gabor (Daniel Auteuil), der ihr das Leben rettet. Lebensmüde Frauen, die nichts zu verlieren haben, sind gesuchte, ideale Zielscheiben für den Artisten, der scheinbar im Unterschied zu Adèle vor dem Unglück nicht kapitulieren, sondern das Glück fixieren will. Die beiden werden ein Team, dem gemeinsam alles zu gelingen scheint, bis Adèle ihr Glück impulsiv bei einem anderen testen will und damit auch Gabor zum Mann auf der Brücke macht, der gerettet werden will. Sehr flott und frisch hat der vielseitige Romantiker Leconte („Der Mann der Friseuse“) seinen sparsamen Plot inszeniert, der kaum Nebenfiguren kennt und ganz auf die beiden Stars zugeschnitten ist. Die Schwarzweiß-Optik, sonst häufig ein realistischer Verstärker, wirkt hier fast märchenhaft, unterstützt den fantastischen Ton, der etwa Gespräche zwischen Auteuil und Paradis zulässt, obwohl eine geographische Trennung besteht. Spiegeln die kleinen Schnittwunden bei Paradis die Fragilität des Glücks, symbolisieren dieser magische Distanz-Kontakt die Seelenverwandtschaft und das Messerwerfen einen körperlichen Akt voller Leidenschaft und Hingabe. Obwohl hier zwei potentielle Selbstmörder einen gemeinsamen Weg zu finden versuchen, vermeidet „Die Frau auf der Brücke“ Sentimentalität und Schwere, wirkt stattdessen entspannt und witzig, amüsiert mit Paradis‘ zwanghaftem Sexualverhalten und lakonischen Brechungen. Auteuil, der für seine Rolle im Februar einen César als bester Darsteller gewann, damit aber die Enttäuschung von sieben unberücksichtigt gebliebenen Nominierungen des Films kaum auffangen konnte, ist als sichtbarer Liebeskranker das Herz des Films, der mit starken Dialogen auch verbal ein Zeichen von Reife setzt. kob.