Den Aufbruch des deutschen Films in den 60ern, nachdem sich junge Filmemacher 1962 mit einem Manifest auf den Oberhausener Kurzfilmtagen vom althergebrachten, verstaubten und historisch belasteten Kino losgesagt hatten: diese Revolte verortet Gegenschuss hauptsächlich im 1971 gegründeten Filmverlag der Autoren. Tatsächlich wurde in diesem Filmkollektiv, dessen Regisseure als Gesellschafter ihre eigene Produktion, den Verleih, den Vertrieb ihrer Filme übernahmen, deutsche Filmgeschichte geschrieben. Und auch wenn der Filmverlag nicht mit dem Neuen deutschen Film der 60er und 70er gleichzusetzen ist, so ist er doch ein wichtiger Teil davon und hat mit Wenders, Fassbinder und Herzog auch drei der größten deutschen Filmemacher überhaupt gefördert (auch wenn die letzteren beiden nicht Mitgesellschafter waren, ihre Filme aber über den Filmverlag verleihen ließen).
Gegenschuss umreißt zunächst auch die Aufbruchsstimmung der deutschen Filmemacher in den 60ern, den Drang, eigene, relevante Autorenfilme zu drehen mit politischem Gehalt, mit spezifischer Ästhetik der Clou ist, die Protagonisten von damals selbst erzählen zu lassen, aus ihrer heutigen Sicht. Laurens Straub, der jüngst verstorbene Verleihchef des Filmverlags (in dem es eigentlich keine Chefs gab), hat mit Dominik Wessely Wenders und Herzog, Hark Bohm, Hans Werner Geisendörfer, Michael Fengler, Peter Lilienthal etc. aufgesucht und sie erzählen lassen: Anekdoten und Erinnerungen an eine wilde Zeit, Selbsteinschätzungen, Charakterisierungen der Kollegen; und so ergibt sich in subjektiven Facetten das Gesamtbild, die Geschichte des Neuen Deutschen Films.
Diese Form, die einen objektiven Standpunkt außen vor lässt, ist klug gewählt es ging ja damals ums Kollektiv, um die Solidarität, darum, füreinander einzustehen, mit dem Profit des eigenen Films die Produktion eines anderen mitzufinanzieren. Und so ist hier vielleicht keine akkurate Filmgeschichte, keine Datenchronik entstanden, dafür aber was viel wertvoller ist ein Gesamtblick auf eine Epoche: der Blick aus der Gegenwart auf das Damals offenbart auch und gerade im Verhalten der heute Interviewten sehr deutlich, weshalb der Filmverlag schließlich auseinanderbrach. Wer erfolgreich war, wollte die Dilettanten nicht mehr mitproduzieren, die Dilettanten wiederum forderten unbedingte Teilhabe für aussichtslose Projekte Neid, Misstrauen und persönliche Animositäten zerbrachen 1976 die Solidarität, Rudolf Augstein stieg als Finanzier ein, viele Gründungsmitglieder stiegen mehr oder weniger freiwillig aus und nach langem Siechtum versandete der Filmverlag der Autoren. Heute gehört er zur Kinowelt-Gruppe, die auch Gegenschuss produzierte und demnächst eine DVD-Edition mit den wichtigsten Werken des Neuen Deutschen Films veröffentlichen will.
Die Gespräche mit den Beteiligten garantieren auch den Unterhaltungswert dieser Geschichte vom Film, die nie dröge, immer lebendig erzählt wird: seien es die Anekdoten aus der Schwabinger Kneipenszene Ende der 60er mit all den unbekannten, aber hoffnungsvollen Talenten (featuring Wenders, Fassbinder und Peter Handke), sei es Herzogs Bericht, wie er an der Münchner Filmhochschule eine 35mm-Kamera geklaut und damit elf Filme inklusive Aguirre gedreht hat (enteignet, um sie ihrer wirklichen Bestimmung zuzuführen, nennt Herzog das); oder seien es die fiesen Beschimpfungen zwischen Hark Bohm und Michael Fengler, die übereinander herziehen, dass es eine Lust ist. Besonders Fengler, schießt manche Breitseite gegen die ehemaligen Freunde ab. Und spricht auch Rainer Werner Fassbinder jede Urheberschaft an Warum lief Herr R. Amok? ab.
Fazit: Geschichtsstunde zum Neuen Deutschen Film, in dem die damaligen Protagonisten aus heutiger Sicht ihre Version zum Filmverlag der Autoren zum Besten geben. Spannend, unterhaltsam, lehrreich und mit vielen aussagekräftigen Filmausschnitten garniert.