Jack: Der zehnjährige Jack sieht äußerlich wie ein Vierzigjäriger aus, und das führt in Francis Ford Coppolas heiter-sentimentaler Familienkomödie zu allerhand Turbulenzen.
Eine geschickte Verkleidung hat Francis Ford Coppola für diese liebenswerte Chronik eines ganz und gar ungewöhnlichen Lebens gefunden, um einem breiten Publikum einen persönlichen und ehrlich empfundenen Themenkatalog nahe zu bringen. Mit Zugpferd Robin Williams in einer Paraderolle als zehnjähriger Jack, dessen Körper in vierfacher Geschwindigkeit altert, manövrieren sich der Meisterregisseur und sein Titelheld durch die Parameter einer zuckersüßen Komödie, in der sich Jack den Kopf zerbricht über die Vergänglichkeit des Seins und die Angst des Menschen vor allem, das von der Norm abweicht.
Die Banalität der Antworten, die Coppola bei seiner herzergreifenden Sinnsuche findet, ist weniger irritierend, als der Gedanke, warum einer der größten Regisseure aller Zeiten sein filmisches Können in die Waagschale legt, um einen Stoff zu verfilmen, wie man ihn von Family-Entertainment-Handwerkern wie Chris Columbus oder Jon Turteltaub erwarten würde. Denn „Jack“ steht Publikumslieblingen wie „Big“, „
Phenomenon“ oder bestenfalls Coppolas Fantasie „
Peggy Sue hat geheiratet“ näher als den gewaltigen Meisterwerken des Regisseurs aus den siebziger Jahren. Ihre dunkle, epische Vision wurde in diesem Moral-Märchen ersetzt durch einen kunterbunten Seifenblasen-Existentialismus, in dem die Erkenntnis, daß das Leben kurz ist, der tiefschürfendste aller Gedanken bleibt. Man muß schon bereit sein, sich auf einen Ausflug in den hintersten Winkel von Fantasyland einzulassen, um „Jack“ in vollen Zügen genießen zu können.
Offensichtlich bewegt von den Parallelen zu seinem eigenen Leben - Coppola verbrachte seine Kindheit aufgrund seiner Kinderlähmung ebenfalls isoliert von seinen Altersgenossen; sein Sohn Gia, dem der Film gewidmet ist, wurde im Alter von 21 Jahren bei einem Bootsunfall aus dem Leben gerissen - umarmt der Filmemacher „Jack“, als wäre er sein eigenes Kind. Er zimmerte ihm eine idealisierte Welt, in der er von seinen liebenden Eltern (ganz groß: Diane Lane als Mutter, die sich im Umgang mit ihrem Sohn ihre eigene Kindheit bewahrt hat) und einem weisen Privatlehrer (Bill Cosby als Sympathieträger par excellence) in einem Traumhaus aufgezogen wird. Doch Jack will aus dem goldenen Käfig ausbrechen, die Schule besuchen und endlich Freunde in seinem Alter finden. Wie der Junge im Körper eines 40-jährigen Mannes die fremde Welt „da draußen“ entdeckt und seine Schulkameraden, die ihn zunächst für einen „Freak“ halten, nach und nach gewinnt, das ist der Aufhänger für Coppolas Utopie.
Manchmal trägt er den Slapstick arg dick auf, aber er kann sich auf Williams verlassen, der geradezu spielend die Brücke von ausgelassener Albernheit (besonders gelungen bei einer gemeinsamen Nacht mit seinen Freunden auf einem Baumhaus) zu wissendem Fatalismus schlägt und den Zuschauer behutsam näher an den tragischen Kern der Geschichte führt: Denn während Coppola die komischen Möglichkeiten seines Sujets vor allem dann zur Gänze ausschöpft, wenn „Jack“ sich als Erwachsener ausgibt, lassen die gezielt eingestreuten, vierfach beschleunigten Bilder vorüberziehender Wolken von Anfang an keinen Zweifel daran, daß die Lebensuhr des Titelhelden mit beschleunigter Geschwindigkeit abläuft. Daß der Regisseur den Film trotz aller dramatischer Entwicklungen nicht mit dem Tod Jacks, sondern seinem Schulabschluß, bei dem er als äußerlich Siebzigjähriger eine bewegende Rede hält, enden läßt, ist eine schöne Note zum Abschluß dieser nach allen Regeln der Filmkunst perfekt inszenierten Geschichte, deren Stärke gerade in ihrer Bescheidenheit liegt. ts.