Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat: Perfekter und kühler Hollywood-Thriller über das gescheiterte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944.
Von wegen Desaster: Bryan Singers Thriller über die Ereignisse vom 22. Juli 1944 mit Tom Cruise in der Stauffenberg-Rolle bietet bestes erwachsenes Hollywood-Entertainment.
Es ist alles ein großes Missverständnis. Als FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher noch während der Berliner Dreharbeiten von Bryan Singers Stauffenberg-Film per Leitartikel deklarierte, „Walküre“ werde das Bild Deutschlands im Ausland auf Jahrzehnte verändern, wurden seine Prophezeiungen von Filmkritikern als Ausführungen eines von den Zuwendungen des Hauptdarstellers Verblendeten abgetan. Dieselben Herrschaften sind es aber nun, die sich dem Film nähern, als habe er tatsächlich vorgehabt, einen bleibenden politischen Beitrag zur Außenwirkung Deutschlands in der Welt zu leisten. Sie irren wie Schirrmacher. Natürlich nimmt Singers minuziöse Chronik eines versuchten Tyrannenmords ihr Sujet ernst und gibt sich alle Mühe um historische Korrektheit. Aber gleichzeitig ist „Operation Walküre“ kein übermäßig politisches Werk - sieht man davon ab, dass hiermit ausgerechnet ein jüdischer Regisseur dem deutschen Widerstand ein Denkmal setzt. Ein Politikum, das vermutlich an der Zielgruppe junger Männer vorbeigeht, die sich vor allem Unterhaltung und einen spannenden Thriller im historischen Kostüm erhofft, wie schon „Last Samurai“ weniger ein Film über den Untergang japanischer Traditionen, sondern ein effektives säbelrasselndes Epos war.
Tatsächlich bedient sich Singer bei der Umsetzung des Drehbuchs von Christopher McQuarrie und Nathan Alexander bei Versatzstücken des Verschwörungsthriller, mehr noch aber dient das klassische Heist Movie als Blaupause, nur dass es hier nicht um einen Diebstahl, sondern das Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 geht. Insofern ist der Plot der eigentliche Star des Films, dem sich selbst Tom Cruise in einer spürbar zurückgenommenen Performance als Oberst Graf von Stauffenberg unterordnet. Seine Motivation für den Anschluss an den Widerstand wird in einem Monate nach den eigentlichen Dreharbeiten im Sommer 2008 gefilmten (aber immer schon im Drehbuch enthaltenen) und doch sehr wichtigen Prolog während des Afrika-Feldzugs abgehakt, in dem der zuvor überzeugte Nationalsozialist Zweifel an Hitlers Geisteszustand äußert und wenig später bei einem Angriff schwer versehrt wird. So beginnt der Film mit einem Paukenschlag und erhält das nötige Gewicht, der langwierigen Entwicklung der Anschlagspläne den nötigen Antrieb zu verleihen. Es reicht zu wissen, dass Stauffenberg ein zu allem entschlossener Mann mit einer Mission ist wie seine zahlreichen Mitstreiter aus Militär und Politik, die allesamt Schlüsselfiguren sind, ohne dass ihre Charaktere, Ansichten oder Ziele übermäßig vertieft werden müssten. Es geht darum, Hitler zu töten. Darum geht es in dem Film. Das reicht allemal, dass man dem mit der Präzision eines Uhrwerks ablaufenden Plan gebannt folgt. Dass es sich um tatsächliche Ereignisse handelt, gedreht großteils an Originalschauplätzen, steigert den Nervenkitzel, ohne allerdings eine geschichtliche Dimension beizusteuern.
Wie schon vor einigen Jahren bei „Thirteen Days“, Roger Donaldsons brillanter Krimi über die Kubakrise, spielt es keine Rolle, dass der Ausgang der Ereignisse bereits bekannt ist. Seine Spannung bezieht der kühl inszenierte Film, der emotional von John Ottmans Score aufgemotzt wird, letztlich aus dem weniger bekannten Umstand, wie knapp die Dissidenten scheiterten, wie kurz ihr Vorhaben davor stand, tatsächlich zu gelingen, obwohl Hitler gar nicht tot war. Nie ist Operation Walküre ein greller, prahlerischer Film. Die Stimmung ist karg, die Bilder sind funktional gewählt, die Farben gedeckt. Wenn Stauffenberg in einem trotzigen Akt der Subversion auf Befehl seinen Armstumpf zum Hitlergruß hochreißt, dann ist das schon das größte Zugeständnis an einen mitreißenden publikumsträchtigen Moment. Was den Film so fesselnd und zudem unheimlich macht, ist das ständige Gefühl der Angst, das seine Protagonisten verspüren: Bei jeder neuen Zusammenkunft mit systemtreuen Nazis ist die Panik regelrecht greifbar, man könne aufgeflogen sein und werde entlarvt. Da ist es hiflreich, dass die Nebenrollen von britischen Theaterassen wie Tom Wilkinson, Bill Nighy oder Kenneth Branagh gespielt werden, die mit kleinen Gesten Großes leisten. An ihrer Seite fallen aber weder Tom Cruise ab, noch die zahlreichen deutschen Schauspieler, die besetzt wurden. Vor allem Christian Berkel und Thomas Kretschmann haben starke Auftritte in diesem faszinierenden Film, der lange als endgültiger Genickbruch des Cruise-Studios United Artists gehandelt wurde, tatsächlich aber das Zeug hat, als Phönix aus der Asche zu steigen, weil er die Bedürfnisse eines großen Publikum perfekt bedient, ohne sein Thema zu verraten. ts.