Es ist Sommer, man setzt sich ins Auto und fährt einfach los in Richtung Süden. Oder man dreht einen Film, im Kopf die vielen schönen Roadmovies, die zum Nachmachen animieren. So etwas schwebte offenbar dem Regisseur und Drehbuchautor Cyril Tuschi für sein Spielfilmdebüt vor: "Als ich das Projekt begann, wollte ich mal etwas Simples machen, den Ballast von total übergeplanten Filmen abwerfen - einfach mit zwei guten Charakteren und einem Mini-Team losfahren".
Die zwei guten Charaktere hat er gefunden: Stipe Erceg als Marc ist aggressiv, zynisch, eine Augenweide an Leinwandpräsenz. Fabian Busch als Frank sieht aus wie 30, kann nicht Auto fahren, hyperventiliert bei Aufregungen, wirkt erschöpft vom korrekten Kleinsein. Es ist ein Phänomen, wie dieser Mensch unterwegs ein Leuchten in seine Augen kriegt, ein Lächeln um die Mundwinkel.
Dreh-und Angelpunkt dieser Fahrt ins Blaue bleiben Frank und Marc in ihrer Gegensätzlichkeit, die sich natürlich angleicht: Frank darf endlich was erleben und jemand werden, Marc übt sich fluchend und angewidert in Geduld, Toleranz, Rücksicht, Respekt. Wenn Frank ihm einen Schokoriegel anbietet, wendet Marc vielsagend den Kopf. Wenn unterwegs Sachen passieren, die nichts mit seinem Ziel, den Vater in Tanger zu finden, zu tun haben, dreht Marc lautstark durch. Und damit tut er dem Film einen großen Gefallen, denn Cyril Tuschi weicht unterwegs gerne vom Weg ab, in einen Orangenhain mit Versteckspiel, eine Westernstadt mit feindseligen Cowboys, in Fata Morganas wie den plärrenden Straußenvögeln, die plötzlich im Bild stehen, dann wieder weg sind.
Die blonde Ilvy (Lilja Löffler), in die sich Frank verliebt, bleibt rätselhaft, abgehoben, spricht in theatralischen Sätzen. Fällt irgendwann ihrem Freund in die Arme, der sie verfolgt. Der sammelnde Rucksacktourist Pauli (Martin Clausen) spricht mit einem Teddybären, den Marc deswegen zum Fenster hinauswirft. Dann ist auch Pauli weg, aber wie Marc schon sagte, wahrscheinlich nur um sich selbst zu suchen.
Die Fahrt durch Spanien ist schon ziemlich lang. Es wird auch mal im Meer gebadet, oder Marc bekommt plötzlich Lust, den bizarren Felsen am Straßenrand entgegenzulaufen. Doch es sind auch unschöne Dinge zu sehen, eine terroristische Bombenexplosion in Benidorm, wilde Müllhalden in der Landschaft, aufgelassene Rohbauten in Tanger. Die deutschen Touristen bleiben ohne nennenswerte Kontakte zu den Einheimischen, reden sie auf Deutsch an, haben ihr eigenes Programm, ziehen weiter.
So ist das in Wirklichkeit ja auch, und Fahrten ins Blaue haben Zeitpunkte der Erschöpfung, Verwirrung, so dass Tuschis Experimente mit surrealen Bildern und Begebenheiten so fremd auch wieder nicht wirken. Zumindest hat der Regisseur keine Angst, frischen Wind in sein Roadmovie hereinzulassen. Aber nur dank der konfliktreichen Männerfreundschaft von Frank und Marc geht Tuschi die Geschichte unterwegs nicht völlig verloren.
Einen höheren Sinn macht die Handlung keineswegs, und im Gegensatz zur Gewohnheit von Kinogängern, in Bildern und Szenen versteckte Zeichen, Hinweise, Symbole zu finden, ist eine solche Suche hier sinnlos. Der Film hat kürzlich den Publikumspreis beim 1. Festival des deutschen Films im Rhein-Neckar-Dreieck gewonnen. Solche Reisen haben schon ihren Reiz, gerade weil nicht alles in ein Schema passt.
Fazit: Ein Macho und ein Muttersöhnchen unterwegs nach Marokko: skurriler Trip ins Ungewisse ohne höheren Sinn, aber mit zwei guten Charakteren.