Underworld: Der düstere Horror-Action-Thriller erfindet die zeitlose Geschichte von Romeo und Julia als Liebe zwischen Vampirin und Werwolf neu.
Den Vampir- und Werwolf-Mythos für das 21. Jahrhundert neu zu interpretieren, war das erklärte Ziel des Regiedebütanten Len Wiseman. Obwohl sich im Kern der düsteren Handlung eine Romeo-und-Julia-Geschichte zwischen einer vampirischen Killerin und einem angehenden Lycan (wie Werwölfe hier genannt werden) findet, bleibt in dem bisweilen grotesk aufgepumpten Nonstop-Trommelfeuer nur wenig Zeit für Romantik oder gar Horror, denn atemlose Action hat hier allemal den Vorrang. Kate Beckinsale („Pearl Harbor“) überzeugt in ihrer ersten Hauptrolle als Kickass-Heroine, wozu ihr laszives Latex- und Lederoutfit nicht unwesentlich beiträgt.
Wer Einlass in Len Wisemans Unterwelt verlangt, sollte besser wissen, dass er sich von den üblichen Filmkonventionen zu verabschieden hat. Für tiefschürfende Charakterisierungen, Charakterentwicklungen oder einen traditionellen Spannungsbogen ist in diesem gebleichten Filmuniversum, das eigentlich nur die Farbe rot von einem Schwarzweißfilm abhebt, kein Raum. Ebenso wie den bekannten Mythen über Vampire oder Werwölfe bleibt ihnen der Einlass untersagt. „Underworld“ ist vor allem ein visueller Rausch, der von einem der intensivsten Soundtracks der Filmgeschichte zu einer körperlichen Erfahrung gesteigert wird: Inhaltlich und formal deutlich von Comics, Videogames und Filmen wie „Matrix“, „Blade“ oder „The Crow“ inspiriert, zeichnet sich die Geschichte der Vampirin Selene in erster Linie durch unablässige Action und das Bestreben um größtmögliche Wirkung jeder einzelnen Szene aus.
Nach einem kurzen Voice-Over-Intro, in dem die Heldin schicksalsschwanger vom seit Jahrhunderte währenden Krieg zwischen den aristokratischen Vampiren und den einstmals versklavten Werwölfen berichtet, wird man ohne weitere Vorbereitung in eine wilde Schießerei zwischen den verfeindeten Parteien in einem U-Bahnhof geschleudert. Nicht immer ist klar, wer da auf wen feuert, genauso wenig, wie sich im Fortlauf der Handlung klären lässt, wer genau was warum tut. Aber immerhin sieht es immer prima aus und klingt dabei so, als sei das Ende der Welt obendrein verdammt nahe. So kann Selene gegen den Widerstand des Vampir-Anführers Kraven herausfinden, dass es die Werwölfe auf den unscheinbaren Menschen Michael (Scott Speedman aus „Dark Blue“) abgesehen haben, der - so stellt sich später heraus - die Lösung für den ewigen Konflikt in sich trägt. Bald schon sind Selene und Michael, der sich nach einem Biss von Chef-Lycan Lucian selbst allmählich in einen Werwolf verwandelt, auf sich allein gestellt, denn unter der Hand haben die vermeintlich verfeindeten Parteien längst einen unheiligen Burgfrieden ausgehandelt. Dass Selene in ihrer verzweifelten Situation ausgerechnet den Vampirgott Viktor vorzeitig aus dessen komatösem Stadium befreit, erweist sich alsbald als fataler Fehler.
Das klingt kompliziert, ist aber stets nur Mittel zum Zweck, jede Szene aussehen zu lassen, als wäre sie die wichtigste des gesamten Films. Wer auf Dynamik hofft, auf Drosseln und Steigern von Tempo, auf Laut und Leise, der sitzt im falschen Film. Wenn Wiseman nicht gerade sein Actionfeuerwerk abbrennt, überbrückt er die Pausen mit großen Gesten und ohrenbetäubend zuschlagenden Türen.
Was manchem wie das Ende des filmischen Abendlandes erscheinen mag, macht in seiner bestechend wirksamen Videogame-Dramaturgie Sinn: Nur wer eine Szene überstanden hat, kann das nächste Level, den nächsten wahnwitzigen und hyperstilisierten Showdown erreichen. Wenn man das gemeinsam mit der souveränen Kate Beckinsale erleben darf, nimmt man gerne in Kauf, dass das Gothic-Popcorn-Spektakel vergessen ist, sowie das letzte Nu-Metal-Riff des Abspanns verklungen ist. ts.