V wie Vendetta: Verfilmung des Kultcomics, in der ein maskierter Freiheitskämpfer mit terroristischen Mitteln ein totalitäres Großbritannien zum Fall zu bringen versucht.
Mit der Verfilmung des subversiven Comicromans von Alan Moore und David Lloyd wagen sich die Wachowski-Brüder und Produzent Joel Silver in ihrer ersten gemeinsamen Arbeit nach Abschluss der „Matrix“-Trilogie an explosives Material. Angelegt als visuell überbordendes Blockbuster-Entertainment, ist die Geschichte eines geheimnisvollen Maskenmannes, der bei seinem Kampf gegen ein totalitäres System auch auf terroristische Gewalt nicht verzichtet, eine Parabel mit Zündstoff, ein Aufruf zum zivilen Ungehorsam.
Der Selbstmordattentäter als Superheld: Wann hätte man aus dem Studiosystem jemals einen Film gesehen, dessen triumphaler Höhepunkt die Sprengung eines altehrwürdigen Regierungssitzes - in diesem Fall die Houses of Parliament inklusive Big Ben - gewesen wäre - zu den Klängen von Tschaikowskis „1812“ und begleitet von einem Funken sprühenden Feuerwerk noch dazu? „V wie Vendetta“ liebt es, sich weit aus dem Fenster zu lehnen, und gefällt sich in seiner anarchistischen Pose: Der in Babelsberg gedrehte Film hat alle Zutaten eines lupenreinen Hollywood-Blockbusters, ist aber nur visuell glattgebügelt, denn er gibt sich alle erdenkliche Mühe, seine süffigen Bilder gleich selbst zu sabotieren und en passant den aufrührerischen Geist subversiver Filme wie „If…“ oder „Die Schlacht von Algier“ zu beschwören. Das Ergebnis ist Actionfilm, Science-Fiction, Satire und Systemkritik in einem und der Film quasi sein eigener Terrorist. Der zu Grunde liegende Comicroman entstammt einer Serie, die von Alan Moore und seinem Zeichner David Lloyd 1986 begonnen wurde, und verstand sich als Reaktion auf die Daumenschrauben des repressiven Thatcherismus. Den Wachowskis, die eine erste Drehbuchfassung Mitte der 90er Jahre schrieben, die Drehfassung aber erst nach Fertigstellung von „Matrix Revolutions“ vorlegten, dient die Vorlage als Blaupause, die sie einerseits entschlackten, andererseits aber auch um eindeutige Verweise auf das Amerika von George W. Bush nach dem 11. September anreicherten. Die allgemeine Stoßrichtung wurde beibehalten, die heiligen Kühe werden weiter geschlachtet, die Abneigung gegen jede Form von institutionalisierter Kontrolle ist nicht nur immer spürbar, sondern raison d’être des Unterfangens: Die Welt des Jahres 2020 versinkt in Chaos, Amerika ist gefallen, Großbritannien hat als faschistischer Staat überlebt, in dem mit unliebigen Minderheiten - explizit werden im Film Querulanten, Homosexuelle und Moslems genannt - kurzer Prozess gemacht wird. Im Mittelpunkt steht die junge TV-Assistentin Evey, deren Eltern ebenfalls vom System beseitigt wurden. In einer dunklen Gasse wird sie von vier Polizisten bedrängt und von einer Gestalt mit ewig grinsender Maske vor der Vergewaltigung gerettet. Der Fremde mit dem Plastikantlitz stellt sich einfach nur als V vor. Er will es seinem Vorbild, dem katholischen Revolutionär Guy Fawkes, gleichtun, der es sich in den Sinn gesetzt hatte, am 5. November 1605 das Parlament in die Luft zu sprengen - und Evey soll ihm dabei helfen, den Plan in einem Jahr umzusetzen. Dreigeteilt läuft die Handlung weiter: V beginnt einen Rachefeldzug gegen die, die ihn zu der scheinbar allwissenden und allmächtigen Figur werden ließen, die Angst und Schrecken in höchste Regierungsetagen trägt und der die Polizei in Gestalt von Stephen Rea auf den Fersen ist. Gleichzeitig durchläuft Evey eine vergleichbare Entwicklung wie ihr geheimnisvoller Mentor: Auch sie wird eingekerkert und zuerst ihres Kopfhaars, dann aller Hoffnung und schließlich ihrer Angst beraubt - Geburt einer Freiheitskämpferin. Trotz hitziger Umsetzung des brisanten Stoffs durch den einstigen Regieassistenten James McTeigue, offenkundig in enger Zusammenarbeit mit den Wachowskis, kann eine gewisse Kälte nicht verleugnet werden. Dass das ausgeklügelte Schachspiel mit revolutionärem Anspruch aber als Entertainment und nicht zuletzt herausragende Comic-Adaption funktioniert, ist Natalie Portman in der Rolle der Evey zu verdanken: Sie ist der emotionale Anker, gerade wenn sie alleine mit einem Superhelden mit grotesker Maske - V wird von Hugo Weaving gespielt, aber vor allem intensiv gesprochen - zu agieren hat. Wenn ihr und damit dem Zuschauer die Augen geöffnet werden, dann erfüllt „V wie Vendetta“ seinen Anspruch, purer Pop mit Widerstand im Sinn zu sein, lauter als eine Bombe. ts.