Was Frauen wollen: Absolut hinreißende Komödie, in der Mel Gibson die Gedanken aller Frauen lesen kann.
Was die amerikanischen Frauen (und einige Männer) am vergangenen Wochenende wollten, war klar ersichtlich: Actionstar Mel Gibson erstmals in einer romantischen Komödie erleben, in der er mit der übernatürlichen Fähigkeit ausgestattet ist, die Gedanken eines jeden weiblichen Wesens hören zu können. Mit einem Einspiel von 34,4 Mio. Dollar konnte der charmante Spaß nicht nur Jim Carreys kommerziellen Vorweihnachtsblockbuster „
Der Grinch“ nach vier Wochen von der Spitze der US-Charts verbannen, sondern gleichzeitig auch den bisherigen Dezemberrekord von „Scream 2“ brechen. Darüberhinaus darf sich „Der Patriot“ Gibson über das beste Startergebnis seiner Karriere freuen, das knapp über seinem bisherigen von „Kopfgeld“ liegt.
Regisseurin Nancy Meyers, die 1998 mit dem Remake von „Ein Zwilling kommt selten allein“ ihr Filmdebüt gab und zuvor Drehbücher wie „
Schütze Benjamin“ und „Vater der Braut“ verfasste, entwickelt sich zur Spezialistin für familienorientierte Frauenunterhaltung. Auch mit ihrem neuen Film versteht sie es, als eine Art weibliche Antwort auf Ron Howard den Nerv des Mainstream-Publikums zu treffen, wobei ihr weniger an Subtilitäten und leisen Tönen, als an möglichst für Jederfrau nachvollziehbarer Verständlichkeit gelegen ist. Protagonist Nick Marshall wird in groben Strichen als urtypischer Macho skizziert: ein erfolgreicher, gutaussehender und charmanter Werbespezialist, bei dem jede Frau schwach wird. Sein kerngesundes Selbstbewusstsein erhält eine gravierende Verkühlung, als sein Boss (Alan Alda) die von ihm angepeilte Position des kreativen Direktors an Darcy Macguire (Oscar-Preisträgerin Helen Hunt versprüht ihren typischen Sauberfrau-Sexappeal - siehe „Verschollen“) gibt. Es geht darum, sich einen Teil des wachsenden Marktanteils weiblicher Konsumenten zu sichern, wofür Nick mit seinen chauvinistischen Ansichten kaum geeignet scheint. Als er sich am folgenden Abend einem erheiternden „Tootsie“-Moment hingibt und versucht, sich mit Nagellack, Lippenstift, Enthaarungswachs und Nylonstrümpfen in eine Frau hineinzuversetzen, trifft Nick im wahrsten Sinn ein elektrischer Schlag, nach dem es ihm möglich ist, die geheimsten Gedanken aller Frauen um ihn herum vernehmen zu können. Plötzlich erkennt er, dass die meisten seiner Kolleginnen nur höflich über seine platten Witze lachen, ihn tatsächlich für arrogant und anmaßend halten, seine Sextechnik besser sein könnte und selbst seine 15-jährige Tochter nicht viel für ihn übrig hat. So müht er sich fortan, ein sensiblerer Mann zu sein und besser zu verstehen, was Frauen wirklich wollen. Er betreibt kollegialen Kaffeeklatsch, kann der sexy Cafébedienung Lola (Marisa Tomei einmal mehr als hibbeliges Nervenbündel) den besten Sex ihres Lebens bieten und hat zudem Gelegenheit, seine Konkurrentin Darcy zu sabotieren, indem er alle ihre guten Ideen klaut. Natürlich verlieben sich die beiden, und der große Konflikt und (dramatische) Klimax entstehen, als sie gefeuert wird, weil er einen neuen großen Klienten (an dieser Stelle wird etwas peinlich unverhohlenes Product Placement betrieben - siehe „Verschollen“) scheinbar in Alleinarbeit an Land zieht.
Die Erzählstruktur, die Nick nacheinander mit allen Frauen in seinem Leben ins Reine kommen lässt (selbst ein völlig überflüssiger Subplot mit einer suiziden Büroangestellten wird eingebaut), lässt die oftmals herzhaft humorvolle Komödie im letzten Drittel erheblich an Tempo einbüßen. Tatsächlich hätte man aus der reizvollen Prämisse mühelos noch wesentlich mehr Lacher rausholen können als hier geschehen, da sich die Filmemacher fast ausschließlich auf die Reaktionen der Damenwelt auf Nick beschränken. Optisch gesehen, ist „Was Frauen wollen“ ein wahrer Leckerbissen, was von dem elegant durchgestylten Produktionsdesign zu den perfekten Understatement-Kostümen reicht. Auch beim Soundtrack wird qualitativ auf Substanz gesetzt, und in bester Rob-Reiner/Nora-Ephron-Manier verlässt man sich mit gutem Recht auf den Evergreen Frank Sinatra. Ähnlich verhält es sich mit der Chemie zwischen den Protagonisten. So brodelt ihr Kontakt zwar nicht mit wilder Leidenschaft über, sondern bewegt sich mehr im Territorium von reifer, respektvoller Liebe. Womit genau das geboten wird, was sich die meisten Frauen von einer unterhaltsamen, wenngleich etwas harmlosen - sprich: hochkommerziellen - Filmfantasie erwarten. ara.