Welcome to Sarajevo: Bewegender Film über einen Journalisten, der die Belagerung Sarajevos beobachtet, bis ihn ein Kind zum Eingreifen zwingt.
Aktualität ist in der Welt der Nachrichten eine Existenzfrage. Deshalb verwundert es, daß dieser brisante Film erst ein Jahr nach seiner Premiere in Cannes in die deutschen Kinos kommt. Zumal „Welcome to Sarajevo“ Größe und Reife zeigt - in einer bewegenden, aber nie sentimentalen Studie über das Sterben in einer belagerten Stadt, die Willkür des Todes und die Ohnmacht der Menschen. Kein predigendes Betroffenheitskino, sondern ein packender, auch in größeren Häusern einsetzbarer Bewußtseinsrüttler, der sein breites Format mit Tod, aber auch Leben füllt.
‚Wir dürfen nicht davon träumen, diesen Krieg je beenden zu können‘, lautet das pessimistische Fazit dieses Films. Realistisch, weil ihn schon kaum jemand wirklich verstehen oder erklären kann. Nur verständlich, daß sich Drehbuchautor Frank Cottrell Boyce und Regisseur Winterbottom darum erst gar nicht bemühen. Klar sind die Fronten verteilt. Hier die Kriegsberichterstatter, die mit schwarzem Humor das Grauen auf Distanz halten. Dort die bosnische Zivilbevölkerung, die im Irrsinn des Mordens die Normalität eines Alltags zu bewahren versuchen. Schließlich schemenhaft die Heckenschützen, die Launen folgend, unschuldige Menschen aus dem Leben reißen. Die Perspektive des Films ist zunächst eine beobachtende, die der britische Journalist Henderson (Stephen Dillane, demnächst auch in „
Firelight„) einnimmt, bis sein US- Kollege (Woody Harrelson flüchtet sich sympathisch in Witze) Hilfe leistet. Geschickt läßt der Film offen, ob dafür Courage oder Eigennutz Motor waren. Später aber, als Henderson handeln muß, ist Humanität das einzige Motiv, wird Winterbottoms Intention klar, die Initiative mutiger Gruppen und Individuen zu feiern. Und die Passivität der Politik mit Originalstatements zu entlarven oder mit Musik (Bobby Mc Ferrins „Don’t worry, be happy“) ironisch zu kommentieren. Ohne Pathos und das Sendungsbewußtsein eines Oliver Stone zeigt Winterbottom („
Herzen in Aufruhr„) fast dokumentarisch das Leiden der Zivilbevölkerung, den Terror serbischer Partisanen, die Beiläufigkeit und Willkür des Mordens, die Gene Hackmans Tod in „
Under Fire“ in Erinnerung rufen. Vor allem aber die Ohnmacht der Kinder, die durch den Krieg binnen Tagen erwachsen wurden. Emira Nusejevic war fünf, als der Krieg begann und zehn, als Winterbottom ihr die Rolle des Mädchens gab, das Henderson zum Handeln zwang, von ihm herausgeschmuggelt und adoptiert wurde. Im Gesicht der Laiendarstellerin spiegelt sich der Schrecken der Vergangenheit wie auch die Freude über eine glücklichere Zukunft. Diese und alle anderen Figuren, ihre Gefühle und die an Originalschauplätzen eingefangene Atmosphäre wirken so authentisch wie es die Vorlage, William Nicholsons Buch „Natasha’s Story“, zwingend erforderte. Und Winterbottom, der mit „I Want You“ im Herbst schon den nächsten interessanten Film in den Kinos hat, bestätigt sich erneut als die cineastische Stimme Großbritanniens, der man derzeit zuhören muß. kob.